Trifft das nicht generell auf alle Verkehrsteilnehmer zu?
Ich denke das ist schon eine "Spezialität" von Fahrrad-, oder vielleicht allgemeiner Zweiradfahrern: Das Gefährt wirkt auf andere Verkehrsteilnehmer offenbar wie eine Tarnvorrichtung. Fahrradfahrer kommen in der Wahrnehmung anderer Verkehrsteilnehmer nicht vor. In den Details unterscheiden sich dann aber KFZ-Fahrer und Fußgänger:
Die Führung eines KFZ erfordert grundsätzlich ständige Aufmerksamkeit und Verkehrsraumbeobachtung (jedenfalls sollte es so sein). Dass KFZ-Fahrer Radfahrer tatsächlich übersehen ist recht selten. Eigentlich passiert es nur wenn sich zuvor getrennte Verkehrsräume treffen (z.B. Kreuzung mit getrennt geführtem Radweg). Das eigentliche Problem zwischen KFZ- und Radfahrern ist, dass KFZ-Fahrer aus der rein physischen Überlegenheit (Masse, Geschwindigkeit, Sicherheitseinrichtungen) ein Wertgefälle zwischen sich und Radfahrern konstruieren und ihre gefühlte höhere Wertigkeit dann den Radfahrern zeigen (zwanghaftes Überholen an unpassenden Stellen und/oder mit zu geringem Abstand, Missachtung von Vorfahrten, Behinderung durch illegale Nutzung von Radinfrastruktur (Radwegparken)).
(Das gleiche Fehlverhalten das KFZ-Führer Radfahrern gegenüber an den Tag legen, kann man übrigens auch oft bei Radfahrern gegenüber Fußgängern beobachten. Es dürfte also ein typisches Ausleben des gefühlten Rechts des Stärkeren sein.)
Das Problem zwischen Fußgängern und Radfahrern (aus Sicht des Letzteren) ist ein Anderes. Fußgänger übersehen Radfahrer (und ihre Infrastuktur) tatsächlich, weil Fußgänger oft unaufmerksam im öffentlichen Verkehr sind. Vielen Fußgängern ist nicht bewusst, wenn sie auf einem Radweg gehen - insbesondere dann nicht, wenn es ein geteilter oder gar gemeinsamer Geh- und Radweg ist, also ein Weg auf dem, oder in dessen unmittelbarer Nähe sich Fußgänger tatsächlich legal bewegen. Da wird dann lustig hin- und hergewankt, am Smartphone gedaddelt oder die Hundeleine quer gespannt.
Seltsamerweise kriegen es die meisten Fußgänger aber hin, die Augen zu öffnen, sobald sie an den Bordstein gelangen und sie damit rechnen müssen, von einem KFZ erfasst zu werden. Schade, dass für viele Fußgänger offenbar Gefahr für das eigene Leben drohen muss, um auf andere Verkehrsteilnehmer Acht zu geben!
Umgekehrt gibt es eben die Kampfradler, die sich mit einem Affenzahn querbeet durch den Verkehr beamen ohne Rücksicht auf Regeln und Verluste.
Kampf-, Dunkel- und Geisterradler sind dann wohl das Gegenstück zu "erzieherischen" Autofahrern und gedankenlosen Fußgängern, und sie leisten den restlichen Radfahrern einen Bärendienst durch ihr Verhalten.
Es liegt mir fern von guten Radfahrern und bösen Fußgängern sowie Autofahrern zus schwadronieren, aber ich denke Radfahrer sind in ihrer "Sandwichrolle" insofern interessant, als dass es nicht den typischen Radfahrer-Regelverstoß gibt, weil Radfahrer situationsbedingt immer in beide Richtungen schauen müssen was gerade geht und was nicht. Es gibt zwar das berühmte Bild des Rotlichtradlers, und ich würde vermuten, dass mehr Radfahrer als KFZ-Fahrer Rotlichtverstöße begehen, aber es ist immer noch eine Minderheit und längst nicht so typisch, dass man als Außenstehender praktisch auf einen Rotlichtverstß eines Radfahrers wetten könnte.
Bei Fußgängern (Unaufmerksamkeit - §1 StVO) und KFZ-Führern (Geschwindigkeitsüberschreitung - zumindest in Deutschland) sieht das anders aus. Hier könnte man wirklich auf den typischen Regelverstoß Wetten abschließen und ginge abends mit mehr Geld nach Hause als man morgens hatte.
Rufen ist aber auch der allergrößte Blödsinn, den sich Rennradler ausgedacht haben, weil sie 2g der Klingel sparen wollten. Dann wenigstens eine Klingel montieren.
Meine Erfahrung ist da genau gegenteilig. Ich habe Klingeln an all meinen Rädern, um der StVO zu genügen, aber aber ein freundlcher aber bestimmter "Vorsicht"-Ruf* (ohne Richtungsangabe) ist meiner Erfahrung nach wirksamer. Bei einer menschlichen Stimme ist sofort klar: Da ist jemand der vorbei will. Ob der nun Fußgänger ist der zum Bus rennt, oder Radfahrer ist für den Angesprochenen egal. Irgendwelche technischen Hilfsmittel bedürfen zunächst der Einordnung und sorgen damit für Verzögerung, selbst die vermeintlich wohlbekannte Fahrradklingel.
*) Nicht "Achtung" rufen, zumindest nicht bei Hundehaltern! Das missverstehen manche Hunde als "Aufforderung zum Spielen".