Grundsätzlich halte ich Organspenden schon für eine gute Idee, denn wie viele ja schon gesagt haben, was soll ich mit den Organen, wenn ich tot bin.
Und genau hier liegt für mich das Problem. Diese "Hirntot"-Definition empfinde ich schon als etwas wachsweich, hauptsächlich dafür aus der Taufe gehoben, damit man das überhaupt machen kann. Darüber alleine könnte ich sogar noch hinwegsehen, denn wenn es mir mal derart schlecht geht ist es für mich - auch in Anbetracht des Zustandes, in dem ich auch nach einer eventuellen Genesung vermutlich wäre - eh fraglich, ob ich überhaupt noch weiterleben will.
Aber in einem zunehmend auf Kommerz ausgerichteten Gesundheitssystem, welches zukünftig wahrscheinlich noch mehr von privaten Unternehmen und somit von Gewinninteressen dominiert wird anstatt von staatlich getragenen und gut geführten Einrichtungen sowie ethischen Grundsätzen halte ich es für möglich bzw. sogar für äußerst wahrscheinlich, dass sich reiche Personen, die auf ein Spenderorgan angewieesen sind durch ihre Kohle durchaus in der Liste vordrängeln oder vielleicht sogar bei den Ärtzten, die den "Hirntod" feststellen, bei der Entscheindungsfindung etwas nachhelfen. Die Hinterbliebenen werden dann vielleicht auch noch bedrängt oder übergangen.
Das mit den Skandalen hat mich dann nur noch bestätigt. Mir ist es nämlich nicht egal, wer dann durch meine Organe weiterleben könnte. Wenn es so jemand wäre, der sich durch Bestechung oder andere unlautere Maßnahmen vordrängelt, dann bin ich der Meinung, dass der besser sterben bzw. zumindest meine Organe nicht bekommen soll, solche Leute gibt es schon mehr als genug auf der Welt. Auch die Verzweiflung, in der sich so eine Person befindet rechtfertigt ein solches Verhalten in meinen Augen nicht. Außerdem verdient dann der Arzt auch noch dran, der sich auf Kosten dieser Person bereichert.
Seitdem trage ich einen Organspendeausweis in der Tasche, auf dem NEIN angekreuzt ist und jeder in meinem Umfeld weiß von meiner Ablehnung und dass ich diesen Ausweis immer bei mir trage. Wenn dann trotzdem der "Hirntod" festgestellt und mir Organe entnommen werden, dann müsste man zumindest den Ausweis verschwinden lassen oder manipulieren. Das wird für die betreffenden Personen dann aber hoffentlich ein deftiges Nachspiel haben (wirklich dran glauben tue ich zwar nicht, aber zumindest habe ich dann alles dafür getan, was ich tun konnte, um die Wahrscheinlichkeit dafür zu maximieren).
Konsequenterweise müsste ich dann, sollte ich selbst mal ein Organ benötigen dieses ablehenen. Ich weiß natürlich nicht, ob ich dann in dieser Situation moralisch stark genug wäre, das Organ abzulehnen, habe es mir aber fest vorgenommen.
Mir tut es auch leid um all die rechtschaffenden Personen, die sich trotz der Situation an die Regeln und die Reihenfolge halten und die dann trotzdem vergeblich auf ein Organ warten und das Zeitliche segnen. Aber wenn die Spendenbereitschaft nicht massiv (und damit meine ich noch stärker als jetzt) durch solche Skandale zurückgeht, dann entsteht auch kein Druck in der Politik, die Rahmenbedingungen zu ändern (wobei die aber wahrscheinlich auch bei 0% Spenderbereitschaft nichts ändern würde).
Unter folgenden Bedingungen wäre ich bereit zu spenden:
1) Komplett staatliches Gesundheitssystem, Zwangsversicherung ohne Opt-Out-Möglichkeit auch für Beamte und Selbstständige, alle müssen nach Einkommen aus Lohn und Vermögen ins Solidarsystem einzahlen, das alle notwendigen Leistungen abdeckt (was als notwendig gilt und was nicht würde hier den Rahmen sprengen). Wer Zusatzleistungen wie Chefarztbehandlung, Einzelzimmer im Krankenhaus usw. haben will kann dann selbstverständlich Zusatzversicherungen dafür abschließen. Keine privaten Träger bei Krankenhäusern, keine privaten Krankenkassen, keine zehntausend gesetzlichen Kassen, sondern nur eine.
2) Die Listen werden vom Gesundheitsministerium oder einer anderen staatlichen Stelle zentral verwaltet, nicht von privaten Trägern, Stifungen oder solchen Organisationen wie der DSO / Eurotransplant.
3) Es müssten drastische Strafen für Ärtze her, denen man solche Bestechlichkeiten nachweisen kann. Die müssten in jedem Fall ohne Bewährung für mindestens 10 Jahre in den Knast, Entzug der Zulassung, Einzug des gesamten Vermögens, diese Leute müssen alles verlieren und abgenommen kriegen, was sie sich in ihrem Leben jemals aufgebaut haben, damit das Abschreckungspotential so hoch wie möglich ist (natürlich wird es trotzdem immer welche geben, die es trotzdem tun, ist ja klar).
4) Hat der Arzt nicht aus materiellen Motiven gehandelt (also keinerlei Geld oder anderweitige Gegenleistung bekommen), sondern ausschließlich aus ideellen (z. B. weil ihm seine Patienten sehr ans Herz gewachsen sind und er es um jeden Preis verhindern wollte, dass diese sterben, er hat sich in eine Patientin verliebt oder was weiß ich was man sich da noch ausdenken kann), dann deutlich leichtere Strafen (Knast auf Bewährung und/oder hohe Geldstrafe) und kein Entzug der Zulassung, aber Strafversetzung in anderes Krankenhaus (vorzugsweise ohne Transplantationsabteilung) und Verbot, jemals wieder eine Aufgabe im Bereich Organspende/Feststellung des "Hirntods" wahrzunehmen.
5) Hat sich jemand nicht zu Lebzeiten für Ja entschieden, dürfen die Angehörigen nicht befragt und die Organe nicht entnommen werden. Die Angehörigen haben keine Möglichkeit, irgendwelche Erlaubnisse zu erteilen. Das soll der Situation vorbeugen, dass die Angehörigen entweder von der Situation an sich oder von Ärzten unter Druck gesetzt werden und eine Entscheidnung treffen, die sie später bereuen.
mfg el-sahef