Zurück in die 70er Jahre - BGH legt digitale Weiterbildung regelrecht lahm

Mornsgrans

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Interessantes Thema zum Thema Webinare, Online Fortbildung, Fernunterricht etc. - BGH erklärt dast alle Verträge für nichtig:

Du bist in Deutschland - endlich hat der BGH wieder für Rechtsunsicherheit gesorgt und die Uhr um 50 Jahre zurück gedreht. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln ob der Regulierungswut der Gesetzgeber, die Gesetze nicht an die aktuellen Gegebenheiten anpassen.

Jetzt weiß auch der letzte, warum es mit der Digitalisierung bei uns nicht voran geht...
 
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Allgemein kann man leider sagen, dass vieles überreguliert ist und manches einfach nach hinten fällt.
Ich sehe das im täglichen Leben, da viele Lücken ausnutzen, muss reguliert werden.
Doch diese Diskussion wird endlos, da der "gesunde Menschenverstand" von jedem anders interpretiert wird.
 
IMHO geht es hier nicht um Überregulierung. Mehr darum, dass der BGH an Realität und gesundem Menschenverstand vorbei entschieden hat.
Wenn, dann ist doch auch eher "Unterregulierung" das Problem. Denn das FernUSG von 1976 war ja für die damalige Situation angemessen. Es fehlt nur offensichtlich an einem Gesetz, das auf die heutige Situation passt.

Man sollte auch bedenken, dass der BGH primär in zwei konkreten Fällen zu entscheiden hatte, in denen wohl tatsächlich Kunden mit windigen Angeboten abgezockt wurden. Weil die Justiz ja erst dann tätig wird, wenn sie angerufen wird. Und dann ihr Urteil auf Basis der existierenden Gesetze fällt. Wobei zuerst der Text dieser Gesetze ausgelegt wird, andere Aspekte erst dann einbezogen werden, wenn die Auslegung des reinen Textes nicht zum Ziel führt.

Für mich sieht es so aus, dass der BGH da entweder pro oder contra Verbraucherschutz entscheiden musste. Die Alternative zum jetzigen Urteil wäre nach meinem Verständnis gewesen, einen Zahlungsanspruch der Anbieter in den beiden Fällen dadurch zu begründen, dass Online-Kurse tatsächlich ausdrücklich nicht unter das FernUSG fielen. Das hätte dann aber gleichzeitig bedeutet, dass der gesamte Markt der kostenpflichtigen Online-Kurse von jetzt auf gleich unreguliert gewesen wäre. Es also keine für diesen Markt anwendbaren spezifischen Verbraucherschutzregeln gäbe. Auch nicht so schön.
 
Zweiter Abschnitt des Artikels:

„Ausgangspunkt für die Entscheidungen des BGH sind allerdings keine seriösen Fortbildungsangebote, sondern eher halbseidene Coaching-Anbieter. Ob ein "Business-Mentoring-Programm" für 47.600 Euro oder der "E-Commerce Master Clubs" für rund 7100 Euro – der BGH verneinte in beiden Fällen einen Zahlungsanspruch der Anbieter (BGH III ZR 109/24, III ZR 173/24).“

Die Entscheidungen sind meiner Meinung – ohne diese bisher vollständig gelesen zu haben – nach vom Ergebnis her gedacht: man möchte unseriöse Dienstleitungsanbieter aus dem Markt raus halten. Zugleich soll damit mittelbar der Verbraucherschutz gestärkt werden. Wer kann als Einsteiger ohne großen Sachverstand sagen, ob die Kursinhalte und das vermittelte Wissen adäquat zum Kurspreis sind. Und die sind hier gerade nicht läppisch gewesen. Zur Einordnung: ein ganzes Studium an der staatlichen Fernuniversität Hagen kostet je nach Fach und Abschluss (ab) 2.000 Euro (Bachelor) bis 4.500 Euro (Master). Vermutlich beziehen sich die Zahlen auf eine Regelstudienzeit. Wer es etwas elitärer mag, kann für das Geld fast 12 Trimester an der Bucerius Law School studieren (→ 64.800 Euro, https://www.law-school.de/studium/j...kostet-das-studium-an-der-bucerius-law-school) oder acht Semester an der EBS (→ 64.780 Euro, https://www.lto.de/karriere/jura-studium/unis/wiesbaden-ebs). Hinzu kommt, dass mögliche Kursteilnehmer sich bestärkt durch die Teilnahme weiter finanziell ruinieren, wenn sie sich an der Börse verspekulieren. Gegenstand der ersten Entscheidung („Business-Mentoring-Programm“) war ein Vertrag über ein "16-Wochen-Coaching-Programm TRADING-Mastery". Was der Verlust von einem Großteil von Ersparnissen oder sogar die Aufnahme von Krediten für Konsequenzen für eine Familie, aber auch für den Einzelnen selbst haben kann, muss man wohl nicht ausführen. Und im schlimmsten Fall darf mal wieder der Sozialstaat einspringen, um das Existenzminimum zu sichern. Dies wird wohl freilich nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen.

Fachlich interessant finde ich, dass der Autor des Heise-Artikel unterschlägt, dass ein Kondiktionsanspruch aus §§ 812 I 1, 1. Alt, 818 II BGB nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen war. In der BGH III ZR 109/24-Entscheidung wird unter Rn. 46 festgestellt, dass die Beklagte scheinbar nur nicht einen Betrag nennen konnte, der den Kläger in Form von ersparten Aufwendungen noch bereichert hätte.

Ich persönlich finde die Entscheidung begrüßenswert. Nach meinem persönlichen Dafürhalten sind die ganzen Lifestyle-, Mental-, Business- und Finanzcoachings ein höchst unseriöser Bereich, der darauf ausgerichtet ist Bedürfnisse – oder noch schlimmer Krisen – von Menschen für Wenige zu monetarisieren. Kein Mensch braucht Kurse von irgendwelchen Dubai-Larrys, die dir irgendwelche Strategien auf ChatGPT geschriebenen PowerPoint-Folien via Social Media für Tausende von Euros verkaufen.

Da sich die Entscheidungen gegen bestimmte Inhalte richten (wie schon bei Sportwetten), gehe ich davon aus, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz novelliert wird, um neue Rechtssicherheit zu gewährleisten. Jedenfalls lässt sich der BGH III ZR 109/24-Entscheidung nicht entnehmen, dass sich der BGH an der Form der Wissensvermittlung stört. Statt der im Heise-Artikel geforderten Abschaffung des Gesetzes würde ich persönlich für Registrierungspflicht abhängig von Kursgebühr und -inhalt plädieren. Zudem für eine besserer personelle Ausstattung der Registrierungsstelle oder die Überführung in eine besser ausgestattete Behörde.
 
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Um welche denn sonst? - Du musst da schon etwas präziser sein, ansonsten ist Dein Beitrag wert- und nutzlos.
 
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Im Artikel heißt es doch:
Eine Zulassungspflicht besteht, wenn drei Merkmale erfüllt sind:
  • entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten
  • eine "überwiegend räumliche Trennung"
  • eine "Überwachung des Lernerfolgs"
Wenn in Schule und Studium ab und zu mal ein Seminar per Teams stattfindet, aufgezeichnet wird und anschließend abrufbar ist, ist das deswegen ja kein entgeltliches Seminar.
 
Zudem bleibt bei Schulen und Hochschulen zu berücksichtigen, dass diese der Rechts- und Fachaufsicht des jeweiligen Fachministeriums unterliegen. Jedes (Kern-) Curriculum bzw. Prüfungsordnung ist das Ergebnis diverser Entscheidungsträger. Zudem besteht häufig auch eine Akkreditierungspflicht.

Nachtrag: Und zumindest nach diesem Beitrag - https://ll-ip.com/aktuelles/fernunterrichtsschutzgesetz-fernusg-zfu-zulassung/ - würde das Fernunterrichtsschutzgesetz bei Schulen und staatlichen Universitäten im Rahmen der Wissensvermittlung in der Regel nicht greifen, da es sich um kein vertragliches, sondern um eine öffentlich-rechtliches Verhältnis handelt. Etwas anderes ist allerdings dann anzunehmen, wenn die Universität Fernlehrgänge auf Basis von privaten Verträgen anbietet. Dies könnte meiner Meinung nach Zertifikatskurse von Universitäten betreffen, wobei auch diese dann primär online erfolgen müssten, sonst würde es einer ausschließlichen oder überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden fehlen.
 
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dass diese der Rechts- und Fachaufsicht des jeweiligen Fachministeriums unterliegen.
Es bleibt nur die Frage, inwieweit solch ein Urteil das trotzdem in Frage stellt. Zuständigkeitsprobleme sind doch symptomatisch für ein überreguliertes System, nach dem Motto: "Für Präsenz-Unterricht ist das Fachministerium zuständig, sobald es zu Distanzunterreicht übergeht, ist jemand anderes zuständig." - Gesunder Menschenverstand hilft da nicht weiter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es bleibt nur die Frage, inwieweit solch ein Urteil das trotzdem in Frage stellt. Zuständigkeitsprobleme sind doch symptomatisch für ein überreguliertes System, nach dem Motto: "Für Präsenz-Untersicht ist das Fachministerium zuständig, sobald es zu Distanzunterreicht übergeht, ist jemand anderes zuständig." - Gesunder Menschenverstand hilft da nicht weiter.
s. obigen Nachtrag. Der Beitrag von der Kanzlei ist ganz gut verständlich.
 
Das Gesetz war 1970 nötig, ein Update auf heute ist es ebenfalls. Für die ZFU kann der TÜV, Dekra, und andere "benannte Stellen" einspringen. Das ist heute in vielen Bereichen üblich. Viele Firmen und Behörden machen z.B. keine Serviceverträge mit "nicht zertifizierten" Firmen bzw. derem Personal. Offizielle (amtliche) Prüfungen von Uni, FH, IHK, Handwerkskammer gelten ebenfalls als "Zertifikat". Wenn da eine Behörde im Arbeitstempo von Baubehörden, Bahn, o.ä. zertifizieren soll, können wir es gleich vergessen.
 
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