Ich überspitze das nachfolgend vielleicht, ohne dir das persönlich übel zu nehmen:
Das klingt nach einem elitären Kreis erlesener Erleuchteter.
Ich verstehe, dass meine Aussagen so rüberkommen können, und vielleicht ist da auch etwas dran. Ich sage sowas aber nicht, weil ich mich für etwas Besseres halte, sondern weil ich auf allen Seiten immer wieder Frust mitbekomme, wenn Neulinge mit falschen Erwartungen an Linux rangehen.
Ich kenne eigentlich keine fortgeschrittenen Linuxnutzer, die etwas gegen Anfänger haben, aber es gibt Viele (mich eingeschlossen), die etwas gegen mangelnden Lernwillen haben. Technische Hilfestellung gibt man ja in der Community in erster Linie deshalb, weil man Spaß daran hat. Spaß macht es aber nur, wenn man den Eindruck hat, dass die Zeit und Mühe die man darin investiert auch Früchte trägt.
Für den Helfenden muss gewollter(!) Fortschritt im Verständnis des Fragenden zu erkennen sein. Und ja, das bedeutet auch mal eine Manpage verstehend(!) zu lesen, wenn man darum gebeten wird. Die konkrete Rückmeldung "Ich habe Punkt X.Y der Manpage nicht verstanden." ist für den Helfenden viel motivierender als stumm die Hände zu heben, denn sie zeigt, dass der ernsthafte Versuch unternommen wurde.
Im Grunde ist das immer noch eine Spielart von "Linux is not Windows" [1], auch wenn der Text im Detail längst überholt ist.
Darf Linux nur nutzen, wer mit programmiert?
Nein. Aber ich hätte nichts dagegen, wenn nur diejenigen Linux nutzen, die auch bereit sind mitzudenken.
Am Buffet des Feuerwehrfests darf sich ja auch nur der bedienen, der nachts um drei aus dem Bett springt wenn die Sirene heult. Das sind wieder die Grundlagen einer Gemeinschaft: Geben und Nehmen.
Am besten fahren auch nur Mechaniker Auto?
Autofahren ist keine Gemeinschaftsaktivität. Sie ist finanziell zugangsbeschränkt (Fahrerlaubnis), und auch im Betrieb durchkommerzialisiert (Vertragswerkstätten, Versicherungen, etc.).
Aber zur jährlichen Ausfahrt des Golf-GTI-Klubs auf den Nürburgring darfst du nur, wenn du dich im Klub engagierst.
Parallel wird die Nutzung von Linux für Anfänger durch Steamboxen und den Abgesang auf Windows 11 aber aus derselben Community befeuert.
Nun, dann sollten die selben Leute die diese Steamboxen befeuern auch den Support übernehmen.
Was soll der blutige Anfänger denn machen, wenn er nicht erst das System studieren möchte?
Seine Einstellung überdenken.
Und das fehlende Wissen schafft Barrieren und Ängste.
Fehlendem Wissen kann man abhelfen, fehlender Lernbereitschaft nicht.
Aber mit irgendwas muss man auch da ja anfangen. Und das muss "probier es aus" sein
Völlig richtig! "Ausprobieren" aber auch tatsächlich in diesem Sinne, etwas im spielerischen Umgang erlernen. Zum Spielen gehört auch "kaputtspielen". Das ist völlig ok, aber das muss dann natürlich in einem sicheren Umfeld, also z.B. auf einem Testsystem passieren, bis man sicher genug ist, seine Fähigkeiten auf ein Produktivsystem loszulassen.
Genau dieses Spielerische fehlt heute oft, was möglicherweise mit dem mangelnden Distrohopping zusammenhängt. Was heute aber ganz oft passiert ist, dass sich Leute ohne Vorkenntnisse irgendwo einen Server klicken, darauf irgendwelche öffentlichen Dienste betreiben und dann hilfeschreiend in Foren aufschlagen, wenn dieser Server gekapert wurde und andere Menschen gefährdet.
und nicht "lies dir mal das dicke englische Tutorial da hinten für die Vorgängerversion durch
Das gehört aber
auch dazu. Spielen ist toll, aber manchmal muss man sich einfach auf seine vier Buchstaben setzen um weiterzukommen.
Ubuntu selbst stellt Anleitungen zum Hinzufügen von PPAs zur Verfügung. Und das verteufelst du nun?
So wie e heute oft passiert: Ja!
Es wird nicht erklärt was ein PPA ist, wer es betreut, warum derjenige es betreut und nicht Canonical (alles Sicherheitsimplikationen).
Und es wird auch nicht mehr der technische Hintergrund behandelt (editiere deine Paketquellen), sondern nur noch ein Link zum Klicken geliefert. Diese "Vereinfachung" erschwert z.B. massiv den Zugang zum Quellcode, der früher nur ein Editieren der URL im Browser entfernt war.
Der TE hat ja nicht geschrieben "empfehlt mir das einzig wahre System und ich nagele euch für 100 Jahre ans Kreuz, wenn ihr was empfohlen habt was nicht meinen nicht geäußerten Bedürfnissen oder Wünschen entspricht".
Nun, dann sollte dieser Thread nur einen einzigen Antwortbeitrag haben, und der sollte lauten:
Probiere in den nächsten Monaten so viele verschiedene Distributionen aus wie du in die Finger kriegen kannst, und dann such dir die aus, die dir am besten gefällt!
So sehen die Antworten auf solche Fragen aber nicht aus. Die fangen fast immer an mit: "Meine Lieblingsdistribution ist ..."
Mein Eindruck ist, dass bestimmte Hürden zu früh aufgebaut werden und Leute eher abschreckt.
Die Hürden sind so oder so da. Meistern muss man sie also in jedem Fall. Und vielleicht hilft es sich bewusst zu machen, dass scheitern eine Option ist. Für Manchen ist Linux einfach nichts, und das ist ok.
Vor meinem inneren Auge:
Anfrage im Wäschetrocknerforum: " Ich will vom Kondensationstrockner auf einen Wärmepumpentrockner umsteigen. Ist das cool?"
Antwort: "Das ist total cool. Aber vor dem ersten Anwerfen solltest Du das Gerät zerlegen und kennenlernen, denn sonst wirst Du niemals das Gerät betreiben oder qualifizierte Fragen stellen können ."
Dann wird der Umstieg nicht stattfinden.
Wenn jemand nach Linux fragt, läuft das ähnlich. Trotzdem hofft man, daß viele Leute i-wann von Windows auf Linux umsteigen werden.
Erkenne den Fehler.
Der Fehler liegt in der Grundannahme: Die Hoffnung dass viele Leute auf Linux umsteigen haben nur kommerzielle Player und übereifrige Fanatiker. Allen Anderen ist es relativ egal. Es kommt nur anders rüber, weil die ersten beiden Gruppen am lautesten sind.
[1]
https://linux.oneandoneis2.org/LNW.htm