Morgen allerseits,
als angehender Diplomingenieur auf dem Gebiet der Werkstoffwissenschaft und -technik mit der Vertiefung Umformtechnik will ich mich mal einfach kurz einmischen, weil hier im Walzwerk grade nicht viel los ist.
Also zum einen will ich mal klarstellen, dass diese Scharniere bei den Thinkpads mit Sicherheit NICHT aus Gusseisen sind (ich hoffe es wird entschudligt, dass ich mein recht nagelneues T61 nun nicht in die Fertigungskontrolle zum mobilen Spektroskop schleppe um die Scharniere abzufunken - ist mir einfach das Geld nicht Wert). Soweit ich informiert bin, sind die Scharniere aus Edelstahl, welcher exakte Werkstoff nun genau und wie hochlegiert dürfte nun schwer rauszubekommen sein. Zumindest spricht dafür auch die Tatsache, dass die Scharniere auch bei den "Uralt"-Thinkpads noch nicht mit rosten angefangen haben obwohl sie ja doch der mehr oder minder feuchten Luft und mal dem einen oder anderen schweissnassen Finger ausgesetzt sind.
Was nun Edelstahl angeht bzw. Stahl allgemein: wird sehr, sehr selten direkt Endformnah vergossen, weil Stahl nun mal auch sehr schlecht vergiessbar ist. Damit fällt auch der angesprochene Giessfehler beim Druckguss weg, da Druckguss bei Stahl auch einfach unmöglich ist (wie auch, wenn die Gusskokillen aus Stahl sind - oder jemand schonmal versucht nen Pudding in eine Form aus Pudding abzugiessen?)
Herstellungstechnisch würde ich mal spontan tippen, dass die Scharniere geschmiedet sind. Ohne die Prozesskette bei den Zulieferern nun genau zu kennen würde ich jedoch vermuten, dass die Schmiedeteile aus Stranggussmaterial hergestellt werden, welches vorher noch zu Walzdraht ausgewalzt wird und dann in kleinen, handlichen Stücken in die Schmiedelinie geht.
Was nun den Bruch angeht - was man so auf den Bildern sieht schaut nach einem mehr oder weniger rein spödem Versagen aus (makroskopisch daran zu erkennen, dass die spröden Bruchflächenanteile immer so schön im Licht glitzern, scheint hier ja auch der Fall zu sein. Ein Zähigkeitsbruch sieht matt und zerfranster aus). Rein sprödes Versagen ohne erkennbare Plastizität lässt sich meist auf zwei Faktoren zurückführen: Temperatur und Belastungsgeschwindigkeit. Das mit der Temperatur lässt sich gut nachvollziehen, schliesslich wird Metall sehr schön zäh und lässt sich sehr gut bei recht niedrigen Kräften Umformen ohne zu versagen, wenn man es heiss macht (nicht umsonst wird es beim Schmieden und Warmwalzen auf Temperaturen von 1000°C - 1200°C - vielleicht auch mehr - gebracht).
Entsprechend wird bei abnehmenden Temperaturen passiert das ganze umgekehrt - das Material wird im allgemeinen fester, aber die Zähigkeit lässt nach.
Bei der Geschwindigkeit ist es ähnlich. Langsame Beanspruchungsgeschwinigkeiten lassen den langsamen Diffusionsgeschwindigkeiten bei niedrigen Temperaturen genügend Zeit zur plastischen Verformung (gleiten von Versetzungen, Gleitebenkoordinierung etc.). Schnelle Verfomungsgeschwindigkeiten dagegen lassen diesen Prozessen einfach nicht genug Zeit um irgendwelche Verfomungsenergie durch Plastifizierung abzubauen.
Da ich nun mal davon ausgehe, dass das Thinkpad bei dem entsprechenden Vorfall nicht bei -30°C oder so verwendet wurde, wo man von einem vollständigen Übergang in den Sprödbruchbereich ausgehen kann, lässt sich vermuten, das eine sehr hohe Beanspruchsungsgeschwindigkeit vorlag. Also sowas in der Art "Freier Fall: ThinkPad -> Erdbeschleunigung -> Boden/Tisch -> Knack" oder "Hammer -> Aufprall auf Scharnier -> Knack". Die schon irgendwo angesprochene schnelle Hebelbewegung, die auf Grund irgendwelcher Kratzer/Markierungen vermutet wurde , wäre natürlich auch möglich.
Wie ebenfalls schon angesprochen sieht es auf den Makrobildern nicht wie ein Ermüdungsbruch aus, da keinerlei Rastlinien zu sehen sind. Auch wenn diese wie schon richtig gesagt durch Mikrosplastizität auftreten lassen sie sich nach genügend langem Fortschreiten auch makroskopisch meist sehr gut erkennen. Mit Sicherheit könnte man dies wohl nur durch die Betrachtung der Bruchfläche unter nem REM ausschliessen. Aber selbst wenn ein Anriss vorhanden gewesen wäre, der sich mit dem Öffnen/Schliessen immer wieder ein Stück ausgebreitet hätte, ist zu vermuten, dass dann das Scharnier nicht mit einem Mal vollkommen spröd nachgegeben hätte sondern sich einfach angefangen hätte zu verformen, da die Krafteinwirkung beim Öffnen und Schliessen des Deckels ja eher langsam und konstant stattfinden und nicht schlagartig (sofern man das Werfen auf den Boden nicht als gängige Methode zum Schliessen ansieht).
Hoffe mal, ich komme nun nicht zu klugscheisserisch rüber, da ich wollt einfach mal die Fehlannahmen bezüglich Gusseisen etc. etwas ausräumen.
Just my 2 Cents,
Thala