Die Frage, die ich mir bei Fragebögen oft genug stelle ist, wie ernst nehmen die Leute, die den Fragebogen entwerfen die Leute, die diese ausfüllen sollen. Und wenn bei mir das Gefühl aufkommt, das diese nur eigene Ideen auf die Befragten projezieren beziehungsweise durch vage Fragen Antworten finden wollen darauf, ob die Gesellschaft und ihre Mitglieder nun in der einen oder anderen Schublade (rechts und links) stecken, dann kann stelle ich mir die Frage, ob eine Spaßbeantworterei die Leute, die diese Studie konzipiert haben, und ihre Erwartungshaltungen nicht vielleicht gründlicher entlarvt und zum Nachdenken anregt als ein munteres Bedienen der selben. Und wie will ich aufrichtig sein, wenn ich auf vage Fragen, hinter denen wichtige und interessante ethische Inhalte stecken, nur vage Antworten geben kann? Und wenn ich nicht aufrichtig sein kann und darf, werde ich dann ernst genommen? Ob diese Tests ein gutes Werkzeug sind die Volksseele für Soziologen aufzuzeigen weiß ich nicht, da ich nicht glaube, dass ein jeder diese Tests auch ernst nehmen kann und will. Man kann dies bedauern, doch wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Man kann mit provokanten Fragen auch provokante Antworten heraufbeschwören, nicht nur die tiefsten Einstellungen der Befragten herauskitzeln. Man kann dies dann natürlich destruktiv nennen, wenn die Gerfragten nicht mitspielen.
Ich hatte übrigens das Glück 2003/4 meinen 9-monatigen Grundwehrdienst abzuleisten. Zuerst 3 Monate Grundausbildung und danach noch 6 Monate Bürojob bei einer Ausbildungskompanie. Ich hatte auch das Glück dort einen Bundeswehr-internen Fragebogen auszufüllen über militärische Traditionen, etc. Ja ich habe dort Staatsbürger in Uniform getroffen, aber auch Leutnante die nichts anderes wollten als Kadavergehorsam. Bei zwei Leuntnanten hatte ich im besonderen das Gefühl, dass sie nur deshalb zur Bundeswehr gingen um Machtpositionen auszukosten, indem sie Untergebene "zur Sau machten". Einer von diesen war Zugführer eines AGA-Zuges, hatte bereits ein Bw-Psychologiestudium hinter sich, und bedauerte, dass die Rechtsbelehrungen schon so früh drankämen und sich der Vertreter des Bundeswehrverbandes immer schon so früh vorstellte. Hony soi qui mal y pense. Ich hatte die Gelegenheit festzustellen, dass alle Ausbilder die ich als Rekrut und als "Kollege" kennenlernte im Grunde nette und umgängliche Menschen waren, aber meist Druck noch immer als das beste Führungsmittel ansahen. Wenn man als Zug von einem Ausbilder beim Üben des Marschierens die Frage gestellt bekommt, ob man nicht bessere Leitungen bringen möge, um die Eltern beim feierlichen Gelöbnis nicht zu entäuschen, dann stelle ich mir die Frage welches Familienbild dieser Mann vorraussetzt. Zumindest meiner Familie geht mein Wohlergehen über die Ästethik militärischen Exerzierens, ob ich daran beteiligt bin oder nicht. Auch die Bundeswehr ist kein garantierter Hort wahrer und reiner Demokratie. Die Machthierachie bietet trotz innerer Führung immer noch genug Möglichkeiten Untergebene zu demütigen und zu erniedrigen, auf Arten, die mit Sicherheit nicht menschenverachtend genug sind, um gesetzteswidrig zu sein, aber dennoch nicht den Geist einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung atmen. Die Bundeswehr hat es mit Sicherheit nicht verdient schlecht geredet zu werden, man tut ihr aber auch keinen Gefallen sie besser zu reden als sie ist. Auch nicht per se demekrotisches, rechtes Gedankengut kann man in der Bundeswehr antreffen. Von einem Staatsbürger in Uniform sollte man erwarten können, dass er in seinen Untergebenen auch Menschen im Sinne der Menschenrechte und Mitstaatsbürger sieht. Wenn das Vorgesetzte im Umgang nie zum Ausdruck bringen können oder wollen, dann kann das bei einem (ehemaligen) Grundwehrdienstleitenden dazu führen, dass er die Bundeswehr kritischer sieht als es die Staatsbürger in Uniform als ganzes verdient haben. Freiheit, Menschlichkeit und Toleranz sind keine festen Güter, sie müssen jeden Tag aufs neue mit Leben gefüllt werden. Gelingt uns das nicht ist unsere Demokratie nichts mehr als eine leblose Hülle. Um ein anderes Beispiel zu nehmen: die israelische Armee bezeichnet sich gern als die humanste der Welt. Nicht ohne Grund und Berechtung. Aber gerade deshalb war der massive Streubombeneinsatz in den letzen Tagen des letzten Libanonkrieges so ein Bärendienst der verantwortlichen Militärführung für das ganze Volk (inklusive des Militärs). Armeen demokratatischer Staaten sind nicht per se immer die "Guten", wie auch einzelne Soldaten der US-Armee im Irak gezeigt haben. Und auch in der US Armee gibt es aufrichtige demokratische Soldaten. Man sollte Strukturen und Institutionen demokratischer Staaten nicht mit krankhaftem Mißtrauen, jedoch mit Wachsamkeit begnegen, will man in einer humanen Welt leben.
Und so Leid es mir tut, die Frage nach Kadavergehorsam (eine bewußt überspitzte Formulierung) wird noch eher von militärnahen Stellen gestellt, als von zivilen. Man hätte auch danach fragen können, wie wichtig einem der Respekt vor Autoritäten, staatlich wie familiär ist. Man hatte nur die Option zu sagen ob es einem selbst oder bei der Kindererziehung das wichtigste ist. Und wenn es einem das wichtigste ist dann ist dies doch nichts als Untertanengeist. Man kann nicht sagen "ja es mir wichtig, jedoch nicht an oberster Stelle". Dieser Fragebogen mag den Leuten, die diese Studie konzipiert haben, wieder einmal Aufschluss darüber geben wie weit sich wieder rechtes Gedankengut in unserer Gesellschaft ausgebreitet hat und ähnliches. Dem Befragten gibt er weniger oder besser gesagt gar keinen Aufschluss über sich selbst. So bin ich ein nachdenklicher Mensch und damit die meiste Zeit des Tages weder lustig, heiter oder traurig, sondern in Gedanken versunken. Ich kann jedoch Leute zum Lachen bringen, Trauer wie Freude tief empfinden. Was ist nun mein Gemüt im Sinne des Fragebogens?
Aufschluss über sich selbst konnte man im antiken Athen durchaus bekommen, wenn man sich auf ein Gespräch mit Sakrates einließ, wenn mir dieser Seitenhieb erlaubt ist. Und wenn mir noch ein ironisch/sarkastisch gemeinter Seitenhieb erlaubt ist: die Leute, die diesen Fragebogen entworfen haben müssen demgemäß nicht fürchten, einen Schierlingsbecher zu trinken oder etwas zur Herausführung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit eines Befragten getan zu haben. Dieser Fragebogen dient der reinen Datengewinning, nicht der Erkenntnis der Wahrheit. Der Lebenswahrheit der Befragten in Ansichten und gelebter Ethik. Und das ist ein meinen Augen ein Manko, das Leute eben auch verleiten kann solche Fragebögen nicht wahrheitsgemäß, was der Fragebogen (sicherlich ungewollt) verhindert, sondern eben gleich so auszufüllen, das ein bißchen Sand ins Getriebe der Statistik gestreut wird. Man muss das nicht gutheißen, aber man sollte wenigstens ein Verständnis zu dem Maße dafür aufbringen, dass man Fragebögen so stellt, dass sie dem Befragten keinen Anlass geben zu solch "destruktiven" Gedanken zu kommen.
Das politische Fuzzy-Quadrat aka Political Compass wäre wohl ein bißchen aufschlußreicher als links/rechts, wenn auch leider in Deutschland ziemlich unbekannt.
Und ganz nebenbei bemerkt, wissen die meisten Statistiker sehr wohl Spaßausfüllungen von ernsthaften zu unterscheiden.
In dem Sinne war mein Posting auch eher scherzhaft und ein bißchen spöttisch gemeint, wenn auch mit dem nötigen Funken Wahrheit. Wer die kathartische Wirkung der Komik bzw des Spottes nicht kennt, dem sei Aristoteles empfohlen. In diesem Sinne: gute Nacht, noch ein schönes und erfülltes wie erfüllendes Leben und ein kleiner lateinischer Spruch zum Tage:
"Multi enim faciunt quod facit sapiens, sed non sapienter, sed magis stulte."