Linux-Einstieg: Derivate, Distributionen, Desktopumgebungen???

cyberjonny

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Hi miteinander,

aufgrund meiner Gaming-Wurzeln bin ich bis heute eigentlich mehr oder weniger überzeugter Windows-Anhänger. Dazu stehe ich auch gerne, ich halte Windows (aktuell 8.1) für ein gutes, über die Zeit - mit einigen Ausnahmen - gereiftes und immer besser gewordenes Betriebssystem, mit dem ich alles in allem immer zufrieden war und im Grunde auch noch bin. Allerdings bin ich auch ein großer Verfechter davon, die eigenen Daten nicht unbedacht großen Unternehmen in den Rachen zu werfen, freie, offene, alternative Software zu unterstützen und einfach sein eigener Herr im IT-Haus zu sein - seit der ganzen NSA-Geschichte mehr denn je. In einigen Bereichen (Verschlüsselung von Daten und Mails, sichere Messenger, keine Accounts bei den großen sozialen Netzwerken, Android soweit möglich von G abgekoppelt...) habe ich das über die Jahre bereits umgesetzt, aber beim Betriebssystem habe ich bisher irgendwie immer noch Halt gemacht. Früher hatte das vor allem damit zu tun, dass ich hin und wieder noch gezockt habe, was damals mit Linux noch gar nicht ging (und auch heute wohl nur sehr eingeschränkt möglich ist), mittlerweile fehlt mir dafür aber sowieso zunehmend die Zeit und ich bin - schätze ich mal - eigentlich nur noch aus Bequemlichkeit und Gewohnheit bei Windows geblieben. Nichtsdestotrotz halte ich Windows an sich nach wie vor für ein gutes OS, das aufgrund seiner Verbreitung für mich vor allem durch die so zahlreich vorhandene Software punkten kann (für alles gibt es zig Varianten und Alternativen). Aber wie dem auch sei - die Zeit ist gekommen, um mal über den Tellerrand hinaus zu schauen: Ich würde Linux gerne mal eine Chance geben und ausprobieren!

Für mich als Laie scheint der Einstieg allerdings erstmal recht kompliziert - es gibt verschiedene Derivate/Derivationen, Distributionen und Desktopumgebungen. Was bedeutet das denn überhaupt alles und woher weiß ich, was davon das Richtige bzw. die richtige Kombination für mich ist?

Debian, Fedora, Arch, Gentoo, openSUSE, Ubuntu, Kubuntu, Lubuntu, Xubuntu, Cinnamon, Mint, KDE, GNOME, Xfce, Unity, LXDE, MATE... die Liste kann fortgesetzt werden... alles Begriffe, die ich aus der Linux-Welt kenne und teilweise halbwegs weiß, womit sie zu tun haben, die ich aber nicht so richtig sortiert bekomme und oftmals nicht richtig zuordnen kann.

- Wodurch zeichnen sich die verschiedenen Derivate/Derivationen, Distributionen und Desktopumgebungen respektive deren Kombinationen denn aus?
- Was für spezifische Vor- und Nachteile haben die einzelnen Varianten?
- Was würdet ihr einem Einsteiger in die Linux-Welt empfehlen? Dabei sei gesagt, dass es - auch wenn ich von Windows komme - nicht unbedingt "wie Windows" sein muss. Ich bin auch für Neues offen und habe keine Probleme damit, mich umzugewöhnen, wenn es Vorteile mit sich bringt!


Schön wäre, wenn möglichst viel ootb laufen würde und ich möglichst wenig manuell konfigurieren/anpassen oder gar basteln müsste. Auch bin ich eher ein Freund von GUIs als von der Konsole, wobei mich deren Nutzung jetzt nicht völlig abschreckt. Etwas (nicht viel) Erfahrung habe ich mit Ubuntu, das ich hin und wieder mal als Live- und Test-System genutzt habe und insgesamt zwar als solide, aber auch als etwas "langweilig" wahrgenommen habe. Außerdem wäre es toll, wenn es für die verschiedenen Nutzungsszenarien und Anforderungen viel Software und Freeware zur Auswahl gäbe (aus meiner Sicht DER Vorteil von Windows), falls es da überhaupt Unterschiede zwischen den Derivaten/Distributionen gibt.

Vielleicht kann ja der eine oder andere Linux-Veteran hier etwas Licht ins Dunkel bringen.
Ich würde mich über (gerne subjektive) Erklärungen, Erfahrungen und Ratschläge jedenfalls sehr freuen! :)

Danke und Gruß,
Jonny
 
Wow, danke euch beiden, hikaru und t4xx, für die tollen, ausführlichen Beiträge!! Die helfen mir wirklich sehr weiter! :thumbup:

Dann geht wohl es jetzt als Nächstes wirklich mal ans YouTube-Videos schauen, VM aufsetzen, Distributionen testen.


Was mir noch nicht so ganz restlos klar ist, ist die Unterscheidung zwischen "DE" und "WM". Muss man da immer beides jeweils einzeln betrachten oder ist oftmals DE = WM?
Und welche WMs sind denn - analog zu den DEs - so die gängigen (für Einsteiger nicht ungeeigneten) Kandidaten?
 
so, dann geb ich hier auch mal meinen Senf dazu :facepalm:

Desktopumgebungen:

es ist entgegen der hier teilweise geposteten Ansicht nicht möglich, ohne vorher zu recherchieren, einfach ne andere Desktopumgebung zusätzlich zu installieren.

- Mate und Cinnamon auf einem System geht nicht

- Cinnamon ist für Ubuntu und Debian immer noch nicht frei gegeben, lässt sich also nur mit Aufwand installieren und gefährdet das System

Mint:

- hat eine ziemlich "kastrierte" Aktualisierungsverwaltung

- lässt sich nicht upgraden, sprich, es muß immer wieder neu installiert werden

- die sogenannten Minttools sind schlicht unbrauchbar (sagen viele Mintuser)

Debian:

- eigentlich genial, aber als Einstieg ohne Vorkenntnisse ist die Installation, bzw., das Einrichten nicht so ganz einfach

*buntu:

- als "Einstiegsdroge" aus meiner Sicht am geeignetsten

- gerade für Einsteiger dürfte die große Community und das wirklich hervorragende deutschsprachige Wiki eine große Hilfe sein.

nicht debianoides Umfeld:

- etwas ähnlich einsteigerfreundliches wie *buntu (oder meinetwegen auch Mint) ist mir nicht bekannt, aber evtl. könnte man Mageia in Betracht ziehen.

Fazit:

- meine Empfehlungan nen Einsteiger geht ganz klar zu Gunsten von Ubuntu und seinen offiziellen Derivaten.

Tipp:

- einfach mal ein paar verschiedene "Flavors" runterladen und mit bspw. Unetbootin einen Livestick erstellen und ausprobieren.

Grüße

Frieder
 
Was mir noch nicht so ganz restlos klar ist, ist die Unterscheidung zwischen "DE" und "WM". Muss man da immer beides jeweils einzeln betrachten oder ist oftmals DE = WM?
Prinzipiell sind das zwei verschiedene Dinge.
Ein DE ist eine Sammlung verschiedener Software, ein zentraler Teil davon ist ein WM.

Beispiel:
LXDE ist im Wesentlichen Openbox + LXPanel + LXTerminal + PCManFM.
Gut zu sehen ist das an der Abhängigkeitsliste des Debianpakets lxde-core [1].

Andere DEs benutzen andere WMs (Gnome2: Metacity, Gnome3: Mutter, KDE: Kwin, Xfce: Xfwm). Prinzipiell lässt sich der WM eines DE austauschen. Ich habe z.B. eine Zeit lang Openbox unter Gnome2 verwendet.

Und welche WMs sind denn - analog zu den DEs - so die gängigen (für Einsteiger nicht ungeeigneten) Kandidaten?
Spontan fallen mir diese ein (ohne Sortierung oder Anspruch auf Vollständigkeit):
Openbox, Fluxbox, iceWM, Enlightenment

Das sind alles Floating-Manager. Im Tiling-Bereich kenne ich mich nicht aus. Ich kenne ein paar Namen, kann dazu aber letztendlich nichts Gehaltvolles sagen.


[1] https://packages.debian.org/wheezy/lxde-core
 
es ist entgegen der hier teilweise geposteten Ansicht nicht möglich, ohne vorher zu recherchieren, einfach ne andere Desktopumgebung zusätzlich zu installieren.
Was meint du mit "ohne vorher zu recherchieren"?
Auf einem Debian/Ubuntu/Fedora... lässt sich problemlos ein KDE neben einem Gnome oder ein LXDE neben einem Xfce installieren. Natürlich gilt das nur im Rahmen dessen was das Repository konfliktfrei hergibt, aber der Normalfall ist, dass mehrere DEs/WMs parallel betrieben werden können.

Debian:

- eigentlich genial, aber als Einstieg ohne Vorkenntnisse ist die Installation, bzw., das Einrichten nicht so ganz einfach
Wenn du zur Installation ein LAN-Kabel anschließt ist die Installation ganz einfach.
Das Einrichten ist unterschiedlich einfach bzw. kompliziert. Faustregel: Hardware bis Ivy Bridge ohne dedizierte Grafik ist problemlos mit Wheezy machbar.

nicht debianoides Umfeld:

- etwas ähnlich einsteigerfreundliches wie *buntu (oder meinetwegen auch Mint) ist mir nicht bekannt, aber evtl. könnte man Mageia in Betracht ziehen.
Neben Mageia (Red Hat) und dem schon genannten OpenSuse fallen mir spontan noch Sabayon (Gentoo), Manjaro (Arch), Chakra (Arch) und eventuell noch Vector (Slackware) und Porteus (Slackware) ein. Edit: PCLinuxOS (Red Hat)
 
Zuletzt bearbeitet:
Oftmals funktioniert die Installation auch über WLAN völlig reibungslos (einige WLAN-Chips funktionieren nicht automatisch, da müsste man während der Installation dann doch am besten mit einem Kabel arbeiten).
 
@SammysHP:
Wenn du dich auf den Debianinstaller beziehst, problemlos geht es mit Atheros-Chips, denn die brauchen keine proprietäre Firmware. Wie es bei Broadcom nach der Freigabe der Treiber aussieht weiß ich nicht.
Für Intel-, Ralink- und Realtek-Karten brauchst du aber eine proprietäre Firmware die in den offiziellen Installerimages nicht enthalten ist. Es gibt inoffizielle Images mit den Firmwares, du kannst die Firmware während der Installation per USB-Stick einbinden oder du nimmst eben ein Kabel.
 
Wow, danke euch beiden, hikaru und t4xx, für die tollen, ausführlichen Beiträge!! Die helfen mir wirklich sehr weiter! :thumbup:

Dann geht wohl es jetzt als Nächstes wirklich mal ans YouTube-Videos schauen, VM aufsetzen, Distributionen testen.


Was mir noch nicht so ganz restlos klar ist, ist die Unterscheidung zwischen "DE" und "WM". Muss man da immer beides jeweils einzeln betrachten oder ist oftmals DE = WM?
Und welche WMs sind denn - analog zu den DEs - so die gängigen (für Einsteiger nicht ungeeigneten) Kandidaten?
Wenn du wirklich Lust und Zeit hast dich mit dem Thema auseinanderzusetzen ganz klar die beste Variante :D
Geschmaecker sind so verschieden und es gibt so viele verschiedene, tolle und spannende Dinge in der Linuxwelt. Es herrscht oft eine ziemliche Versteifheit und man hat fast das Gefuehl gewisse Linuxanhaenger wollen allen und jedem IHRE Distribution aufschwatzen.
Lass dich dadurch nicht beirren, alle mehr oder wenig beliebte WMs/DEs/Distris haben ihre Daseinsberechtigung und ihre Anhaenger die sie lieben. Wenn du ein bisschen ausprobierst wirst du schnell realisieren, was dir persoenlich am besten gefaellt.
Es lohnt sich auf jeden Fall jede einzelne der in diesem Thread haeufiger genannten Distributionen anzuschauen.
Wirst auch merken, das Wissen kommt dann ganz von selbst durch ausprobieren. Ist alles eigentlich keine Hexerei, einfach etwas viel fuer die geballte Ladung am Anfang :)

Viel Spass!
 
Zuletzt bearbeitet:
Was meint du mit "ohne vorher zu recherchieren"?
Auf einem Debian/Ubuntu/Fedora... lässt sich problemlos ein KDE neben einem Gnome oder ein LXDE neben einem Xfce installieren. Natürlich gilt das nur im Rahmen dessen was das Repository konfliktfrei hergibt, aber der Normalfall ist, dass mehrere DEs/WMs parallel betrieben werden können.

hab ich doch klar mit Beispielen unterlegt - und ja klar, manches geht, aber anderes halt nicht.


[...] fallen mir spontan noch Sabayon (Gentoo), Manjaro (Arch), Chakra (Arch) und eventuell noch Vector (Slackware) und Porteus (Slackware) ein.

:thumbsup:
 
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