Begrifflichkeiten: Wann wurden PC-Anwendungen zu „Apps“?

Mir schmeckt der Berliner TU-Blog nicht so sehr, weil doch etwas durcheinander gewürfelt wird und die ersten beiden Schlußstatements so nicht stimmen. Zitat:
  • Programme greifen oft tief ins Betriebssystem ein
  • Programme verfügen über weitgehende Berechtigungen, die kaum beschränkt werden können
Das trifft für Anwendungsprogramme nicht zu, bzw. ist zu allgemein gehalten, wird von System-Programmen benutzt und ist nicht der Sinn von Anwendungen. In Wiki wird das unter https://de.wikipedia.org/wiki/Anwendungssoftware besser beschrieben. In der zitierten ISO Norm unter https://www.iso.org/obp/ui/#iso:std:iso-iec:2382:ed-1:v2:en werden die englischen Begriffe erläutert. Programm ist ein sehr allgemeiner Begriff und macht für sich ohne Zusatz wenig Sinn. Im IT-Bereich benennt man ganz allgemein ein Coding als Programm, von Maschinensprache bis Python oder ähnlichem. Das Eindeutschen verfremdet oft die IT-Bedeutung und führt dann in die Irre.

Der Begriff Application für Anwendungsprogramme kam Ende der 60er auf den Mainframes auf, als man von Standalone-Programmen zum Multiprogramming überging. Ich war in der Zeit beim H/W-Service für IBM/360 habe noch Betriebe betreut, inkl. Banken, wo das Buchhaltungsprogramm per Lochkarte eingelesen wurde und standalone lief. Wenn die Buchhaltung fertig war kam Lohnabrechnung oder Lagerhaltung. Ab 69/70 habe ich ~3 Jahre Betriebssysteme für die /360 unterrichtet, später plus Compiler und Vernetzung der Rechner (danach Service, Planung, Beratung, etc.). Mit den Betriebssystemen gab es (und gibt es bis heute) klar definierte Schnittstellen, wo ein Anwendungsprogramm anfängt und wo es (im Betriebssystem oder Rechner allgemein) nichts verloren hat. Was TU-Berlin mit .exe als Beispiel genannt hat, gab es auf den PCs bereits seit dessen Beginn per DOS ab 80/81. Viele der ersten PC-Programme liefen standalone (Spiele,....), mit DOS wurde dann ähnlich wie beim Mainframe getrennt, Anwendung vs. DOS-Routinen. Application war immer das, was nicht zum Betriebssystem gehörte. Mit Windows und OS/2 kam dann auch auf dem PC Multiprogramming auf. Apple war dann das Sahnehäubchen mit seiner excellenten graphischen Oberfläche. Der Begriff Application als Anwendung hat sich durch diese Zeit hindurch nicht geändert und betrifft immer noch "Programme", die nicht zum Betriebssystem des Gerätes gehören. Heute ist es ziemlich schwer geworden, alles auseinander zu halten, weil oft nicht nur ein großer Teil des Betriebssystems als Firmware eingebrannt wird, sondern in spezialisierten Geräten die eigentliche Application gleich mit. Reine Verkaufs- und Modebegriffe bringen dann den Rest der Verwirrung.

Zurück zum Thema App: da es eh' ein englischer Begriff ist, beschreibt es m.M. nach https://en.wikipedia.org/wiki/Application_software am besten. Auszug als Zitat (paßt zu #20):
The term "app" usually refers to applications for mobile devices such as phones.

Demnächst wieder kürzer :) , GN Peter
 
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Ich fand's damals auch erst befremdlich, aber wenn App(lication) ja nichts anderes als "Anwendung" bedeutet, ist doch eigentlich alles gut.

Ich habe das auch bei Windows 8 und dem Versuch, auf mehreren Plattformen heimisch zu werden, verortet.
 
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.... war einer der Punkte. Ich meine allerdings, dass es da noch weitere gab.
So, jetzt habe ich tatsächlich was wiedergefunden. Ich hatte mal einen Texteditor aus dem Store installiert (NotepadX), der sehr schick war, wo aber leider die Funktionalität "Öffnen mit..." auf wenige Dateitypen beschränkt war und nicht erweitert werden konnte. Der Entwickler hatte mir dann auf Nachfrage erläutert, dass das an den Restriktionen liegt, denen UWP-Apps unterworfen sind.

Zu Universal Windows Platform Apps gibt es einen kurzen aber informativen Artikel in der Wikipedia.

UWP-Apps stellen auch für den Benutzer unter Windows einen zweiten Anwendungstyp neben den klassischen Desktop-Anwendungen dar, die sich in Einzelheiten, z. B. bei Bedienungs- und Sicherheitskonzept, stark unterscheiden.
(...)
Ein besonderes Merkmal ist die Sicherheit, da UWP-Apps explizit deklarieren, auf welche Ressourcen und Daten eines Geräts sie zugreifen möchten. Hierbei ist die Zustimmung des Benutzers erforderlich, um den Zugriff zu autorisieren. Ein weiteres Merkmal ist die universelle API-Nutzung. UWP-Apps können eine gemeinsame API auf allen Geräten nutzen, auf denen Windows als Betriebssystem ausgeführt wird.
(...)
Sie können problemlos installiert und auch wieder deinstalliert werden, ohne das System negativ zu beeinflussen.

Es gibt also tatsächlich zumindest bei diesen UWP-Apps signifikante technische Unterschiede zu klassischen Anwendungsprogrammen. Auch wenn sie grundsätzlich dieselbe Funktionalität besitzen können.
 
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Ne App läuft für mich restringiert in einer Sandbox und in ineffizientem Code wie Java und ein Programm besteht aus nativem Code und hat theoretisch unlimitierten Zugriff auf alle Ressourcen.
Eine Applikation ist ein Programm oder eine App mit produktivem Charakter und nicht bloß ein Tool mit unterstützender Funktion oder ein Game(bei bloß zwei Möglichkeiten wären Games aber Applikationen).

Vor über 20 Jahren hab ich zum ersten Mal von Applets gehört, Apps erst später.
Mit Applets zu tun hatte ich ab 2004 und nem Nokia 6230. Dort lief eine Java Mini Engine mit Zugriff auf 1,5MByte vom internen Flash und die Applets durften anfangs max 64kbyte groß sein, beim Nachfolger 6230i sogar mehrere hundert Kilobyte bei immer noch 1,5mbyte brutto. Dank Support durch ne Library der Engine mit Schwerpunkt Gaming und Handy-Zeugs konnte man mit Java in 64kbyte ungefähr dasselbe machen wie auf nem 8bit Computer der frühen 80er in hocheffizientem Assembler und mit direkten Hardwarezugriffen, also mein Apple II in der Hosentasche, irgendwie geil.

Und mit dem späteren Größenlimit ging es schon zu wie auf Commodore Amiga und Atari ST.

Genau dieses Konzept haben Android und IOS übernommen und nennen sich Smartphones und die Applets hießen Apps, weil das Größenlimit nicht mehr 64kbyte,sondern um 2010 bei Android 64mbyte betrug,müsste jetzt mehr sein.

Als Smartphone galt damals aber zB ein Nokia Symbian S60 Phone, egal ob mit Winzdisplay und Tasten oder später mit Touchscreen. Weil die richtige Programme in nativem Code ausführen konnten.
Der größte Teil der späteren und überwiegend zum Fürchten miesen Programme lief aber in der als Programm zu installierenden Qt-Laufzeitumgebung, dabei handelte es sich technisch um Apps, bzw Plugins für das Programm Qt. Vor Allem per Sideloading vom PC und ganz ohne Store aus dem WWW konnte man aber ne kleine Reihe richtig guter Programm finden, die eben keine Apps waren.
 
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Was heute häufig als App vertrieben wird, ist nichts anderes als reduzierte gekapselte Browser, die eine Webseite aufrufen. Die Apps werden von den Betreibern einer Webseite in Auftrag gegeben, um letztendlich Herr über den ausgerollten Browser zu sein, an welchem keine Veränderungen und Einstellungen vorgenommen werden können. Zusätzlich läßt sich noch eine Zugriffssteuerung festlegen, also wer darf von wo mit welcher App welche Inhalte aufrufen. Natürlich bieten sich hier auch ganz andere Möglichkeiten der Nachverfolgung und Auswertung des Nutzerverhaltens für den Betreiber einer App. Typische Beispiele hierfür sind Apps für Rundfunkprogramme, Zeitungen, Verkehrsunternehmen, Energiedienstleister, und, und, und.

Schaut man sich die Häufigkeit von Browser-Updates an, erkennt man hier auch den entscheidenden Nachteil solcher Apps: Der integrierte Browser, in der Regel ein Chromium, muß genauso häufig aktualisiert werden, wie der frei zugängliche Browser des Betriebssystems auch. Entsprechen häufig gibt es auch neue App- Versionen, ohne daß die Funktionen sich ändern.
 
Ne App läuft für mich restringiert in einer Sandbox und in ineffizientem Code wie Java und ein Programm besteht aus nativem Code und hat theoretisch unlimitierten Zugriff auf alle Ressourcen.
Die Grenzen sind aber fließend... Sind dann alle Anwendungen in Java, C# und weiteren .NET-Sprachen alles Apps, weil sie nicht direkt in Maschinencode kompiliert werden, sondern in einer Art VM/Sandbox laufen? Was ist mit Skripten, also kleinen Programmen in Python, Bash, Perl, PHP oder anderen Interpreter-Sprachen - sind das dann alles auch Apps nach der Definition?
Und wenn ich meine Smartphone-Apps z.B. für Android mit dem NDK (also z.B. in C++) programmiere, dann läuft sie ja nativ und hat viel mehr (vollen?) Zugriff auf Ressourcen. Wird meine KI-App auf dem Smartphone so dann also zu einem Programm?

Eine Applikation ist ein Programm oder eine App mit produktivem Charakter und nicht bloß ein Tool mit unterstützender Funktion oder ein Game(bei bloß zwei Möglichkeiten wären Games aber Applikationen).
Damit wäre Solitaire von den alten Windows-Versionen also kein Programm mehr, sondern eine App? Und Smartphone-Apps wie Banking4A, Microsoft ToDo oder Microsoft 365 (Office) sind dann damit Programme, da produktiver Charakter? Aber vorne setzt du Applikation=Programm=App, also doch kein Unterschied?
 
Applikation ist ein viel älterer Begriff und bezeichnete Sachen wie Textverarbeitungen, Datenbank, Tabelkenkalkulation als es noch keine Office-Suiten gab.

Und die Web-Apps hatte ich ganz vergessen, das ist ja so weit vom Schuss wie möglich.

Unter Windows habe ich es mir halt einfach gemacht. Alles Programme, bis zur Einführung des Stores mit Apps in Win 8.

Und die Programme in Ordnern selbst in Tools bzw Utilities, Games und Applications unterteilt, spätestens seit dem Atari Mega STe, wo ich zum ersten Mal ne HDD mit 46 Megabyte drin hatte.

Edit: Quatsch, schon beim Einsortieren der Disketten mit Raubkopien in Boxen gleich nach dem Urknall mit nem Apple 2.
 
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"App" wird sich schon allein deshalb weiter durchsetzen, insbesondere beim Nicht-Fach-Publikum, weil es nur eine Silbe hat ;) .
 
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Mir scheint zumindest für den deutschsprachigen Raum war Applikation bzw. Anwendung als Alternative zu Programm üblich. Gut möglich, dass die Englischsprecher bereits abkürzten wie hierzulande ja auch "Progs" oder "Proggy".

Ich denke Apps wurden erst durch die Marketingmaschine geschoben als die Stores aufkamen. ApplicationStore war wohl zu sperrig und so wurde abgekürzt.

Daher, selbst mittlerweile komplexere Programme welche die gestiegene Hardwareleistung auch nutzen werden als App vom Store installiert. Händisch installiert nachdem man sie vom Herstellerwebsite heruntergeladen hat, sind gefühlt Programme selbst wenn sie winzig sind oder sehr limitierte Funktion haben.
 
Ja das ist ne gute Umschreibung. Obwohl Spiele auf Smartphones mittlerweile mehrere GB groß sind, sind sia dennoch eine App. Ich glaub dass es
Ich denke Apps wurden erst durch die Marketingmaschine geschoben als die Stores aufkamen. ApplicationStore war wohl zu sperrig und so wurde abgekürz
Ja absolut richtig, grdunsätzlich gilt auch: alle was nicht App heisst, ist zu technisch für den Laien, was die meisten eben sind. Und der Mensch tendiert ja auch eher dazu Dinge zu simplifizieren, sie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen, am besten auch auf die kleinstmögliche Silbe :D
 
Die Grenzen sind aber fließend... Sind dann alle Anwendungen in Java, C# und weiteren .NET-Sprachen alles Apps, weil sie nicht direkt in Maschinencode kompiliert werden, sondern in einer Art VM/Sandbox laufen? Was ist mit Skripten, also kleinen Programmen in Python, Bash, Perl, PHP oder anderen Interpreter-Sprachen - sind das dann alles auch Apps nach der Definition?
Das Coding spielt eigentlich keine Rolle. Alles was "Anweisungen erteilt" ist ein Programm. Mit einem Algorithmus ist es in etwa vergleichbar. Man hat - zumindest früher - eine strikte (auch juristische) Grenze gezogen, bis wohin ein Rechenzentrum als Dienstleister verantwortlich ist, bzw. auch vergleichbar Hersteller H/W und S/W für dessen Betrieb. Als Application wurde der Teil bezeichnet, der unter Regie der Endbenutzer lief, i.d.R. auch der Ersteller (früher, heute wird per Liz gekauft oder free). Diese Grenze war bei Garantieansprüchen und "wer repariert die Bugs" immer schon wichtig. In großen Betrieben gab es oft genug zu Bugs Reibereien zwischen der Systemprogrammierung und der Anwendungsentwicklung, und wenn es dann der Hersteller war, hatte ich als deren Betreuer für den Kunden beide "am Hals". :)

In den Applications wurde per Service-Call Betriebssystem-Unterstützung gefordert (im späteren PC-DOS z.B. mit IRQs). Direkt in den Code reinlangen war Tabu und auch geschützt. Zum Coding: es gab bei den klassischen HL-Sprachen wie FORTRAN und PL/1 von Anfang an (70er) Interpreter, Basic war unter TSO auf dem Mainframes bereits in den 70ern als Interpreter installiert. D.h. diese Applications bestanden aus "Source Code" und wurde auch so vom Enduser in das System eingebracht (Compiler und Interpreter waren Systemsoftware, d.h. optionale Features -lizenziert- zum Betriebssystem). Das ist bei heutigen Scriptsprachen nicht anders. Ohne speziellen Status (z.B. heute Adminrechte) kommt eine Application auch heute nicht in das Betriebssystem, da haben sich nur Namen bzw. Bezeichnungen geändert.

Zu Java und anderen "Features": in den ersten Jahren (Ende 60er) wurde die gesamte "Betriebs"-Software (OS/360) vom Hersteller mit der H/W als ein Paket (und Preis) ausgeliefert. Um 1970 gab es gegen IBM sog. "Unbundling"-Prozesse und zu Teilen des eigentlichen Betriebssystems mußten die Schnittstellen offen gelegt werden. H/W und S/W wurden danach auch getrennt "verpreist". Der Kern des Betriebssystems durfte als "Asset" nichtöffentlich bleiben. Die Klagen kamen von S/W-Herstellern, die dann eigene Lizenz-S/W anboten (Anfangs war JES der Streitpunkt, - Jobsteuerungssystem). Ich war zu der Zeit an der technischen Schule und wir hatten Besuch von US-Anwälten, mit der Anweisung, daß denen jeder gewünschte Fizzel gezeigt werden mußte (und wir unseren Privatkram tunlichst zu Hause lassen sollten). War das gleiche Problem wie heute gegen MS, ob man den Browser selber wählen darf oder nicht -- da hat sich in 50 Jahren offensichtlich nichts geändert.

Application ist von der IT-Bedeutung her eigentlich nach allen Wki- und sonstigen Recherchen auch heute noch alles, was für den Endbenutzer (Anwender) gebastelt und von ihm benutzt wird, egal wie, und nicht zum Betriebssystem des Gerätes gehört. App ....... da schließe ich mich dem englischen Wiki an, "Kleinkram"-Anwendungen :) .
 
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Ich sehe ja nicht so viel Sinn in einer womöglich dann noch auf- und abwertenden Kategorisierung ohne saubere Kriterien. Nehmen wir z.B. den von mir oben angesprochenen Texteditor bzw. Texteditoren allgemein. Die einen benutzen das als Tool, um sich mal ein Readme anzeigen zu lassen. Die anderen erstellen damit beruflich Code, nutzen ein- und dasselbe Programm also produktiv. Wo soll man es dann einsortieren?

Um vielleicht nochmal auf die ursprünglich aufgeworfene Frage zurückzukommen - als der Begriff "Apps" aufkam, bezeichnete er wohl erst (kleinere) Anwendungen auf Mobilgeräten, dann Programme auch auf anderen Systemen mit bestimmten technischen Eigenschaften, und mittlerweile ist es eine Art umgangssprachlicher Begriff geworden, mit dem so ziemlich alles bezeichnet werden kann, was ein Anwender auf einem Smartphone, Tablet oder PC ausführen kann, um irgendwelche Dinge zu erledigen. Weil er so schön kurz und griffig ist und cool klingt. Weshalb es in meinen Augen irgendwie müßig ist, dort heute irgendwelche Wertungen hineindeuten zu wollen. Weil der Begriff längst die technische Sphäre verlassen hat und ein Teil der Alltagssprache geworden ist.
Beitrag automatisch zusammengeführt:

Was heute häufig als App vertrieben wird, ist nichts anderes als reduzierte gekapselte Browser, die eine Webseite aufrufen.
Sowas wie die WhatsApp-App 😁 in Windows. Laut Store 129 MB Code, der denselben Funktionsumfang bereitstellt wie ein Aufruf von web.whatsapp.com...
 
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