Ode an das R40e

JayWay

Member
Themenstarter
Registriert
24 Mai 2009
Beiträge
338
Es stimmt!
Das R40e ist das Schmuddelkind der Thinkpad Familie. Ihm fehlen viele der Eigenschaften, die ein „richtiges Thinkpad“ ausmachen. Es hat kein Thinklight, keinen Ultrabay-Schacht,  keinen Anschluss für die Docking-Station und keine langen Akku-Laufzeiten. Sein ACPI ist kaputt und sein Prozessor, ein Intel Mobile Celeron, die größte Fehlentwicklung unter Intels Sonne. Es hat kein WLAN, kein Bluetooth und kein Infrarot. Das Schlimmste aber ist, es war auch als Neugerät echt preiswert.
Ich schreibe bewusst preiswert, weil billig nicht stimmt. Billig gab es vor 6 Jahren, als das R40e bei mir einzog, auch schon. So ein „Billiggerät“ steht bei mir noch auf Arbeit im Regal. Alle Scharniere sehen aus wie Plastebrösel, keine Ecke ist mehr heil, der Akku mausetot, die Tastatur eine Zumutung für jeden Berufsgenossenschaftler, und schwer...
Mein R40e dagegen ist immer noch im Einsatz, und es scheint schöner denn je.
Denn entgegen allen Unkenrufen ist es doch ein Thinkpad. Die Tastatur ist ein Traum, besser sogar als die an meinem T43p, am Gehäuse keine Ecke ab und dank mangelnder Gummierung sehen alle Ecken fabrikneu aus, kein Knarzen im Plastik und das Display ist immer noch so fest wie am ersten Tag.
Warum ich das R40e damals wählte, lag an meiner finanziellen Situation. Geld war keins da, aber der schon unbändige Bedarf für ein Notebook und die feste Überzeugung, dass es ein Thinkpad sein muss. Ich habe, ohne zu wissen, dass es A, T, R und X-Serien gibt, einfach immer wieder in verschiedenen Geschäften gesucht. Bei C*b*rp*rt wurde ich dann fündig.
Dann begann eine anfangs stürmische Liebe, die sich aber mit der Zeit abkühlte.
Warum um himmelswillen hat ich nur ein Exemplar mit Celeron ausgesucht. Das Ding heizt und heizt, auch dann, wenn es nichts zu tun gibt. Der Akku hielt kaum zwei Stunden. Steckte man eine WLAN-Karte in den PCMCIA-Schacht, war die Zeit zum Surfen noch kürzer. Ein eingebaute Karte funktionierte, dank fehlender Antennen im Deckel, so gut wie gar nicht.
Der Einsatz unter Linux war noch schlimmer, dank des kranken ACPI ging kein Suspend to RAM und das Modem war selbst mit kostenpflichtigem Treiber nicht zur Kontaktaufnahme zu bewegen.
Mit der Zeit und alternder Wärmeleitpaste wurde das gute Stück auch immer lauter und der Firnis der Tischplatte schlug schon Blasen. Immer seltener begleitete mich mein „R“ auf weite Reisen, manchmal schämte ich mich auch in der Runde, wenn Kollegen und Freunde ihre Xe und Tes auf den Tisch stellten. Selbst manche Billigheimer begannen aufzutrumpfen, angesichts meiner 16 MB ATI IGP Grafik.
Ich reaktivierte meinen Desktop und gut 4 Jahre nach seinem Einzug, kam mein ehemaliger Liebling kaum noch aus seinem finsteren Sleeve. Ein-, zweimal im Monat durfte es mich noch begleiten, den Rest der Zeit hockte es im Dunklen und wartete. Schlimmer noch, ich begann mich nach anderen FrauThinkpads umzusehen. Leider, oder eigentlich zum Glück, hatte sich die finanzielle Situation nicht grundlegend verbessert und so blieb meist nur ein wehmütiger Blick auf die Unerreichbaren.
Der Zufall wollte es, dass ich vor wenigen Monaten,  ein T43p für so wenig Geld, quasi geschenkt, bekam, dass ich mir für selbiges sogar einen großen Akku leisten konnte. Von nun an war das R endgültig abgemeldet. Das stolze T war überall dabei und erntete immer noch erstaunte Blicke. Bei dem Display kein Wunder. Es rannte und rannte, und war dank des Forums und des Wikis flüsterleise. Das Netzteil ließ ich daheim, und während ich früher immer noch Plätze in der Nähe einer Steckdose gesucht hatte, saß ich jetzt auch schon mal mit dem Notebook im Garten.
Aber es ist auch groß, und für mich eigentlich zu wertvoll um es überallhin mit zu schleppen.
Als der PC meiner Frau sein Leben aushauchte begann der Wiederaufstieg des R40e. Bis zur Reparatur des Desktops, bekam meine Frau das kleine R auf den Tisch. Und als ich die alte Windows-Lizenz reaktivierte, und ich feststellte wie klein und fein mein R ist, da erwachte die alte Liebe wieder. Der PC meiner Frau war binnen zweier Tage wie neu, und das R40e stand auf meinem Schreibtisch vor mir.
Und ich saß und überlegte, was ich nun damit machen soll.
Zuerst nahm ich mir mal seine Schwachstellen vor. Dank Forum schraubte ich das Ding auf, um den Lüfter zu reinigen. Beim R40e heißt dass, alle Schrauben raus, Akku raus, Platte raus, Hingecap ab, Display abschrauben, Display raus, Oberschale raus. Vor mir das Chaos.
Dann Lüfter abschrauben, säubern, die Wärmeleitpastenoblate rausnehmen und in die Devotionalienkiste legen, frische Paste rauf und den Rest retour.
Temperaturen unter 80°C und Ruhe waren der Lohn für diese Mühe. Dann weiter, was nervt am meisten? Richtig die Akkulaufzeit, aber was sollte ich dagegen tun? Prozessorupgrade? Geht denn das?
Scheinbar ja, denn der Mobile Pentium 4 ist pinkompatibel. Also machte ich mich auf die Suche. Allerdings sollte dieses Experiment nicht die Welt kosten. Zu Hilfe kam mir, nach ein paar Versuchen preiswert in den Besitz einer M-P4 CPU zu kommen, der Zufall.
In oben erwähnter, nicht mehr am Leben befindlicher Billignotebookleiche auf Arbeit steckte ja der gesuchte Prozessor. Also Transplantation vorbereitet und ausgeführt.
Und es funktionierte.
Durch Speedstep verdoppelte sich die Akkulaufzeit und die Temperaturen machten noch einmal einen signifikanten Schritt nach unten. Durch den doppelt großen Cache wurde die Leistung besser und dann noch eine Speicheraufrüstung von 512 auf 1024MB, mit dem Ergebnis, dass jetzt wirklich alles um Längen zügiger geht.
Die Festplatte hatte ich bereits aus Platzgründen einige Jahre vorher auf 80 GB geupgradet.
Und nun sitzt mein R auf meinen Knien auf der Couch und lässt sich meine Lobhudelei eintippen, während sein großer Bruder drüben in der Dock auf dem Schreibtisch schlummert.

Insgeheim träume ich ja noch von einem R40 Display mit eingebauter Antenne und Thinklight, aber ich werden den Eindruck nicht los, dass das schon an „Wahnsinn“ grenzt, und das will ich mir nun wirklich nicht nachsagen lassen. ;)

Gute Nacht.

JayWay
 
:thumbup:

Fast möchte ich Dich bitten, diesen Beitrag unter "Erfahrungsberichte" ins Wiki unter R40 zu posten ;)
 
Wirklich ein wunderschönes Stück Prosa mit einem Schuss Selbstironie . Wunderbar ! Uwe
 
Nicht alles, was alt ist, ist schlecht - man muss nur damit umgehen können und das Beste daraus machen.
 
@Mornsgrans: Dem stimme ich voll und ganz zu! Mein X22 hat auch schon einge Jahre auf dem Buckel und ist trotzdem um jeden Zweifel erhaben!!
 
[quote='Mornsgrans',index.php?page=Thread&postID=692465#post692465]Nicht alles, was alt ist, ist schlecht - man muss nur damit umgehen können und das Beste daraus machen.[/quote]

//signed :D
Ich erinnere an meinen PowerMac G3 und meinen Macintosh LC ;)


@TE: Cooler Text :thumbsup: Würde ich in jedem Fall ins Wiki posten, auch wenn es nicht ganz passt - kannst ja einen Hinweis dazu machen :D Wäre nur schade, wenn es hier so einfach untergeht.
 
Super schöner Text...
da merkt man wie vielseitig und ausdauernd Thinkpads sind...
danke hat mir den Arbeitstag versüßt
Jonas
 
[quote='Mornsgrans',index.php?page=Thread&postID=692457#post692457]Fast möchte ich Dich bitten, diesen Beitrag unter "Erfahrungsberichte" ins Wiki unter R40 zu posten ;)[/quote]

Ich bin deiner Fast-Bitte einfach mal gefolgt. ;)

Gruß JayWay
 
  • ok1.de
  • ok2.de
  • thinkstore24.de
  • Preiswerte-IT - Gebrauchte Lenovo Notebooks kaufen

Werbung

Zurück
Oben