Ich habe mir jetzt mal das Urteil größtenteils durchgelesen (
Link aus dem Heise-Artikel)
Was bisher geschehen ist:
29.09.2006 - Abmahnung: "weil er am 27.05.2005 gegen 13:12 Uhr von seinem dienstlichen Telefonanschluss aus die Sonderdienstleistung 'Erotik-Hotline' in Anspruch genommen haben soll."
20.02.2007 - zweite Abmahnung: "wegen der ihm vorgeworfenen unbefugten Installation des Programms ICQ."
23.06.2008 - eine Mitarbeiterin sah gegen 13:00 Uhr, wie er in seinem Büro vor dem laufenden Fernseher saß und "sich auf dem Tisch eine ausgebreitete Tageszeitung befand". Dabei war er seit 12:40 Uhr wieder eingestempelt. Das Fernsehprogramm soll eine Sportübertragung gewesen sein.
Der Personalrat wurde über diese Beobachtung informiert und stimmte am 02.07.2008 einer "außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Klägers mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2009" zu
02.07.2008 - Kündigung mit dieser Auslauffrist und gleichzeite Freistellung von der Arbeitspflicht unter Anrechnung der Urlaubsansprüche
13.08.2008 (dieses Datum ist noch umstritten) - Überprüfung des Dienstrechners des Gekündigten
Funde: zahlreiche private Mails mit teilweise "erotischen und sogar pornografischen Fotos" (es sind wohl nur 3 Bilder als pornografisch eingestuft worden). Offenbar stand er dabei in Kontakt mit mindestens 10 verschiedenen Kontaktvermittlern
22.08.2008 - "eine weitere außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist" (Einwurf in den Hausbriefkasten)
26.08.2008 - eine wortgleiche Kündigung wurde auf dem Postweg übermittelt
07. und 08.10.2008 - "zwei weitere außerordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist"
25.02.2009 - "eine sechste außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist"
Die außerordentliche Kündigung vom 02.07.2008 wurde für unwirksam erklärt, da das angebliche private Fernsehen und Zeitung lesen weder erwiesen noch eine ausreichend schwerwiegende Pflichtverletzung ist.
Die außerordentliche Kündigung vom 22.08.2008 (mit sozialer Auslauffrist bis 31.03.2009 ) ist wirksam.
Die außerordentliche Kündigung ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung kommt dabei in Betracht, wenn es sich um eine exzessive Privatnutzung handelt.
Die gefundenen E-Mails belegen eine exzessive Nutzung. Dabei geht es nicht um die Anzahl der empfangenen Mails, sondern um die Anzahl der versendeten. Obwohl diese nicht gespeichert sind, lassen sich aus den empfangenen Rückschlüsse ziehen:
Jeder Beitrag ist sprachlich auf einen vorangegangenen (sachlogisch vom Kläger stammenden) Beitrag bezogen.
Daraus ergeben sich folgende Zahlen:
01.04.2008 - 110 E-Mail-Antworten; 02.04.2008 - 118 Mails; 16.04.2008 - 139 Mails; 17.04.2008 - 183 Mails; 21.04.2008 - 173 Mails;
Das Gericht hat für das Lesen und Beantworten 3 Minuten pro E-Mail zugrunde gelegt. Damit blieben ihm am 17.04., 21.04. und 23.04.2008 "keinerlei Zeit mehr für die Bearbeitung seiner Dienstaufgaben".
Der Kläger hat seine Arbeitspflicht in einem solchen Umfang und einer solchen Intensität verletzt, dass es hier einer vorausgehenden Abmahnung nicht bedurfte. Der mit ca. 4.800 € brutto im Monat vergütete Kläger konnte und durfte nicht annehmen, dass es von der beklagten Gemeinde toleriert wird, wenn er den gesamten Arbeitstag versucht, private (erotische) Kontakte über das dienstliche E-Mail-System anzubahnen. Ihm musste auch klar sein, dass er durch sein Handeln bei der privaten Kontaktanbahnung und das Unterlassen des Bearbeitens dienstlicher Aufgaben seinen Arbeitsplatz gefährdet.
Wie/Wieso der Chef die E-Mails gelesen hat und lesen darf:
Im Urteil wird angegeben, wenn die Mitarbeiter ihre E-Mails auf den Dienst-/Firmensystemen (lokal od. im Netzwerk) speichern, "unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers oder Dritter auf diese Datenbestände nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses."
Wer private Mails auf Dienstrechnern abspeichert ist also selbst schuld.
In diesem Fall ging es nicht um einen kurzen E-Mail-Check oder einzelne private E-Mails. In der Vergangenheit hatte die Behörde die private Nutzung des Mailsystems zumindest in den Pausen ja geduldet. Der Titel dieses Themas wäre passender formuliert: "Fristlose Kündigung wegen hunderter privater E-Mails / exzessiver Internetnutzung"
Hätte der Betroffene nur daran gedacht auch seinen Posteingang zu löschen wäre es vielleicht nie aufgefallen :whistling: