Ich denke es ist an der Zeit das alte Thema mal wieder hochzuholen, denn ich bin nun auch im Besitz einer eGPU-Lösung! Aber der Reihe nach ...
Meine Ausgangslage und Anforderungen waren:
- Ich spiele gerne den
American Truck Simulator und den
Euro Truck Simulator 2, welche beide nativ für Linux und Windows verfügbar sind
- Ich wollte einen Ersatz finden für die betagte NVIDIA GTS 450 (512 MB vRAM) in einem Medion MS-7707, welche nicht ordentlich unter Linux/mit OpenGL funktioniert und zudem an der Leistungsgrenze angekommen ist
- Ich wollte meine letzte Windows-Installation endlich aufgeben können (war bisher durch die GTS 450 nicht möglich) -> NVIDIA-Karten habe ich daher aufgrund der schlechten Treibersituation von vornherein ausgeschlossen (AMD bietet mit AMDGPU einen hervorragenden OpenSource-Treiber an, NVIDIA nur einen proprietären Treiber, der sich nicht an Standards hält und nur eine begrenzte Zeit unterstützt wird)
- Ich wollte am besten nur noch ein System pflegen müssen, da ich durch das fest installierte Lenkrad (aktuell ein Logitech G29, mit dem ich aber sehr unzufrieden bin, da es auch nach mehrmaligem Austausch immer wieder hochfrequent zu quietschen anfängt -> ich werde vermutlich das Thrustmaster T300 ausprobieren) nicht sinnvoll/ergonomisch mit dem Desktop-PC arbeiten kann
Nach langer Kaufberatung und vielen wertvollen Ratschlägen bin ich nun
bei folgendem Setup angekommen:
- Ein
ThinkPad X201 Tablet mit einem Intel Core i7-640LM, einer Intel GMA HD, 8 GB RAM und einer
1 TB Samsung Evo 860 SSD (also quasi ein X201 Tablet in Vollausstattung
)
- Eine
Sapphire RX 560D mit 4 GB vRAM und 6-Pin Stromanschluss (der ist für eine eGPU wichtig, da der Adapter die Grafikkarte nicht mit Strom versorgen können soll!)
- Ein
EXP GDC v8.0 Adapter von PCIe x16 auf ExpressCard zum komfortablen Verbinden der Grafikkarte mit dem X201 Tablet
- Ein
be quiet! Pure Power 10 ATX 2.4 Netzteil, damit der Bildschirm nicht schwarz bleibt
- Ein altes Gehäuse von einem HP Office-PC aus dem Jahr 2006 (integrierte Intel GPU verstorben -> Mainboard mit einer der ersten 64-Bit Intel-CPUs entsorgt und Gehäuse aufgehoben)
- Debian 10 Buster mit KDE Plasma Desktop 5 (
aufgrund des ungefixten Wacom-seriell-Bugs in Stretch) als Betriebssystem mit dem Metapaket
firmware-linux; alternativ kann man mit neueren X-Serie Tablets (= USB-Wacom-Tablets) sicherlich auch Debian Stretch mit Backports (Linux >= 4.17) nutzen
- Zwei Monitore (Medion=DVI, LG=DisplayPort->HDMI), zwei Tastaturen, zwei Mäuse, zwei Lautsprecher, ein Lenkrad
Die Einrichtung der eGPU war wirklich sehr einfach: Adapter zusammenstecken, Grafikkarte reinstecken, Netzteil (inkl. 6-Pin an Grafikkarte) und Monitor anschließen, und dann nur noch den Adapter in den ExpressCard-Slot stecken, Strom einschalten und das X201 Tablet hochfahren. Fertig!
Ok ... Fast fertig, denn bei Debian musste ich noch die fehlende Firmware
firmware-linux nachinstallieren (bei Ubuntu 18.04 vorinstalliert). Aber das war es dann tatsächlich schon! Beachten sollte man, dass weder das interne Display, noch Monitore an der X200 Ultrabse funktionieren, während die eGPU in Betrieb ist.
Damit das ganze nicht nackt auf dem Schreibtisch rumsteht, musste nach dem Funktionstest nun alles noch in ein
Gehäuse gebaut werden (siehe Bilder unten). Das erwies sich tatsächlich als einfacher als befürchtet. Das ATX-Netzteil ließ sich natürlich problemlos in den Standardeinschub einbauen. Bei der eGPU musste man ein wenig kreativer werden, denn das Gehäuse des Adapters/Docks ist leider ca. 5 mm zu dick, womit sich die Grafikkarte nicht ohne weiteres an die entsprechende Stelle im Gehäuse montieren ließ (5 mm spalt zwischen Grafikkartenblende und Gehäuseschraubloch). Nachdem sich keine passende längere Gehäuseschraube finden ließ, entschied ich mich für eine etwas dünnere Schraube, eine Mutter und "Unterlegscheiben", um damit die Grafikkarte sicher zu befestigen und die Blende (sowie das Gehäuse) nicht zu verbiegen. Ergebnis: Sicher und ohne Gehäuseumbauten verstaut!
Aktuelles Setup: Die beiden FHD-Monitore sind momentan mit der eGPU verbunden und stehen auf zwei verschiedenen Tischen. Vor dem Medion-Monitor ist das Lenkrad mit eigener Tastatur und Maus aufgebaut, ebenso steht auf dem Tisch die eGPU. Vor dem LG-Monitor ist die Tastatur, die Maus und die X200 Ultrabase aufgebaut (mein normaler Arbeitsplatz). Jeder Monitor hat seine eigenen Lautsprecher (analoges Audiosignal aufgesplittet), welche nach Bedarf ein- und ausgeschalten werden. Das X201 Tablet ist in seiner Ultrabase. An die Ultrabase sind alle USB-Geräte (Tastaturen, Mäuse, Lenkrad), Netzteil, LAN-Kabel, der zweite Akku und das Audiokabel angesteckt.
Wie sind nun meine ersten
Erfahrungen?
- Ich bin beeindruckt wie leise das neue Netzteil und die neue Grafikkarte sind! So gut wie unhörbar (das X201 Tablet ist lauter)! Klasse, endlich kein Laubgebläse mehr im Zimmer (siehe Medion-PC)!
- Bisher ist die allgemeine Office-Performance schlechter als ohne eGPU. Animationen im Dateimanager Dolphin ruckeln z. B., ebenso führen 720p 60 fps YouTube-Videos zu starken Rucklern (System wird nahezu unbenutzbar). 1440p 30 fps YouTube-Videos laufen hingegen butterweich (UHD ruckelt). Entweder ist das ein Problem des aktuellen AMDGPU-Treibers (gibt einige Berichte über AMD-eGPUs und Tearing unter Linux) oder es liegt schlichtweg an der PCIe x1 Schnittstelle. Wenn jemand Ideen hat ...
- Die Spiele-Performance ist klasse! ATS/ETS2 laufen mit 400 % Skalierung und maximalen Einstellungen weitestgehend flüssig. Hin und wieder kommt es allerdings zu kleineren Rucklern. Ob diese allerdings auf die ExpressCard-Anbindung oder schlichtweg schlechte OpenGL-Optimierung durch SCS Software zurückzuführen sind (schließlich hatte ich mit der NVIDIA-Karte auch Ruckler mit OpenGL und mit DirectX 9 nicht), kann ich aktuell noch nicht sagen. Hierzu müsste ich wohl mal ein Windows auf eine andere Platte installieren und es mal damit testen. Damit ließe sich auch ermitteln, ob die schlechte Office-Performance am Linux-Treiber liegt oder nicht.
- Ich kann euch keine Benchmark-Werte nennen, da sie mich nicht wirklich interessieren. Meine beiden grafisch anspruchsvollen Programme laufen gut und das reicht mir!
- Die maximalen Temperaturen (siehe Anhang) sind meines Erachtens im Rahmen, aber könnten bei der Grafikkarte noch verbessert werden (Gehäuselüfter, usw.). Die Grafikkarte pendelt sich aktuell zwischen 75 und 80 Grad ein (da leider der Lüfter nach unten zeigt und dadurch der Luftstrom schlecht ist). Ich denke, dass der Einbau eines Gehäuselüfters hier Abhilfe schaffen wird. Das X201 Tablet bleibt glücklicherweise mit 70 °C auch in der Docking Station ausreichend kühl und ist noch weit von kritischen Temperaturen entfernt (hatte leider im Sommer ein paar Mal eine Hitzeabschaltung in der Docking Station beim Komprimieren von mehreren GB großen Archiven über mehrere Stunden -> außerhalb der Ultrabase gibt es keine Probleme).
Fazit: Nach aktuellem Stand kann ich eine eGPU definitiv weiterempfehlen, auch wenn das Notebook nicht mehr ganz so frisch ist (meins ist ca. 8 Jahre alt und läuft besser/zuverlässiger als mein vorheriges Yoga 370 und ich bekomme dank fehlendem langsamen PWM-Dimmen keine Kopfschmerzen mehr!). Die
Performance bei mir ist in etwa mit der regulär verbauten
NVIDIA GTS 450 vergleichbar oder geringfügig besser - abgesehen von den Rucklern - (falls jemand überlegt, ob ihm die Leistung ausreicht).
Sollte ich irgendwann auf ein neueres Gerät umsteigen (z. B. ThinkPad X1 Yoga G2 oder neuer), kann ich die Grafikkarte einfach in ein Thunderbolt 3-Dock transferieren und mit der bereits bestehenden Hardware weiter spielen.